Es ist kein Geheimnis, dass der in Neuss geborene DJ Tobias Lützenkirchen mit eher gemischten Gefühlen auf seinen wohl erfolgreichsten Track blickt. Aber er tut das nicht auf verbitterte Weise. Als er vor einigen Jahren mit dem Musikexpress über „3 Tage Wach“ sprach, konnte Lützenkirchen eher drüber lachen und sagte, die Single hätte ihm „viel Ärger“ gebracht. „Irgendwie kannte das damals ja jeder. Da ich aber aus einer Szene komme, die da sehr eigen ist, wie ja jede, die sich als Untergrund begreift, haben mir das die Leute echt übel genommen.“

Lützenkirchen war damals – und ist es auch heute wieder – ein geschätzter, etablierter DJ und Produzent, mit internationalen Bookings in Clubs, die im Ruf stehen, nicht bloß Party-Techno zu bringen. Und dann kam plötzlich „3 Tage Wach“. Ein Track, der mitnichten wie auf Charterfolg getrimmt klang, musikalisch durchaus unkonventionell geraten war und mit einem dunklen, treibenden Bass funktionierte. Und dann dieser irre Text! Der natürlich einen fragwürdigen Chemikalienkonsum im Techno thematisierte – manche Kritiker sagten „verherrlichte“ – aber genau betrachtet eher eine wahnsinnig gelungene, dadaistische Satire auf die Risiken und Nebenwirkungen des mehrtägigen Feierns war. „Paniert und Ding Dong Ding Dong, drei Tage wach“, heißt es einmal. Oder auch: „Punkt, Punkt, komma klar, drei Tage wach / Du warst gestern auch schon da, drei Tage wach.“ Der Song sollte wohl eigentlich eine selbstironische Hymne für die eigene Szene sein, wurde dann aber – auch dank eines derben Videos mit steil gehenden Tierkostümen – DER Hit für maßlose Feierproleten. Was, so Lützenkirchen im ME-Interview, dazu führte, „dass die Clubs, Veranstalter und so weiter keinen Bock auf das Publikum hatten, das ich angezogen habe.“

Die Verbindung zum Melt! kam nun nicht daher, dass der Song gut zum Sonnenaufgang auf dem Sleepless Floor passte. Man kannte und schätzte sich einfach vorher, die Nummer war gerade frisch (und noch nicht explodiert) und das Melt! hatte 2008 das Festival um einen Tag verlängert, weil Björk nur am Sonntag spielen konnte. „3 Tage Wach“, ist zudem ein Slogan, der auch gut zum ironischen Teil des Melt!-Merchandise passt. Also kommunizierte man den Song als „offizielle“ Hymne und vermarktete beides zusammen. Später sollten zum Beispiel Bloc Party mit einem RAC-Remix ihrer Single „Octopus“ (2012) und Rudimental mit „Spoons“ (2013) in der Reihe der „offiziellen“ Hymnen folgen.

Das Melt! Publikum spaltete sich 2008 übrigens auch in zwei Lager. Die einen witterten Ausverkauf und Party-Tourismus, weil „3 Tage Wach“ zum Festivalwochenende bereits ein massiver Hit war, die andere Seite feierte es, weil es auf prollige Art und Weise einige Partyvögel ja wirklich ganz gut trifft. Vielleicht wäre es also besser gewesen, das Melt! hätte mal im Björk-Oeuvre gesucht, ob es da einen Song gibt, der zum Fakt passt, dass man das Festival einen Tag verlängert. Tja, und da hätte man dann „One Day“ gefunden. „And the beautifullest fireworks / Are burning in the sky just for you / I can feel it! /One day, one day“. Das klingt doch viel versöhnlicher…

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