1. Lil Nas X – „MONTERO (Call Me By Your Name)“ (2021)
Provokation ist immer noch die beste Promotion – und wenn das jemand weiß, dann Lil Nas X. Montero Lamar Hill, so sein bürgerlicher Name, mischte schon Ende 2018 das Internet mit seiner Debüt-Single „Old Town Road“ auf. Dieser eingängige Sound-Bastard aus Trap-Rap und Country, gesungen von einem schwarzen Künstler, der nur wenige Wochen später seinen Coming Out öffentlich zelebrierte, triggerte viele konservative (und einige offen rassistische) Rednecks und wurde gerade deshalb von Millionen Menschen gefeiert. Daran war auch und vor allem Lil Nas X‘ TikTok-Aktivitäten und die von ihm konzipierte „YeeHaw Challenge“ Schuld. Inzwischen ist er einer der kommerziell erfolgreichsten Künstler Amerikas und hat auch mit Riesenbudgets im Rücken weiterhin Lust auf Provokation. Seine aktuelle Single verwebt biblische Motive von Adam über Eva bis zum Satan höchstselbst mit einem derben Text über freie, sexuelle Entfaltung. Darin sind Zeilen wie diese: „I wanna sell what you're buyin' / I wanna feel on your ass in Hawaii / I want that jet lag from fuckin' and flyin' / Shoot a child in your mouth while I'm ridin'“. Das konservative Amerika ging natürlich steil und fürchtete, dass jetzt viele arme junge Menschen durch Lil Nas X und seinem Song plötzlich schwul werden. Auch das Video, indem Lil Nas X im Paradies beginnt und am Ende in der Hölle Satan einen Lapdance verpasst, hat Millionen Fans und Millionen Hater. Gleichzeitig wurde er von Nike verklagt, weil Lil Nas X einen modifizierten Nike-Air-Schuh Modell „Satan“ verkaufen wollte, in dem angeblich ein Tropfen Menschenblut sei. Wie Lil Nas X damit umgeht? Das sieht man sehr gut auf seinem TikTok-Profil …
2. Loretta Lynn – „The Pill“ (1975)
Wo wir schon gerade beim US-Country und den dort gerne zelebrierten konservativen Werten sind: Mehr, als das jemals eine Punkband oder ein Skandal-Rapper schaffte, provozierte die Songwritern Loretta Lynn, als sie 1975 über die sexuelle Selbstbestimmung der Frau sang. In „The Pill“ geht es zwar vordergründig um die Anti-Baby-Pille, aber ebenso deutlich auch um die Doppelmoral vermeintlich christlicher Ehemänner, die eben doch häufig fremdgehen. Lynn, die schon damals eine der erfolgreichsten Country-Sängerinnen war, schockierte damit auch und vor allem einen großen Teil ihrer Hörerschaft. Diverse Country-Radiostationen boykottierten das Lied, aber wie Lynn einmal in einem Interview sagte: „Sie mussten es schließlich spielen, weil es in den Charts war.“ Zeilen wie diese haben auch bis heute ihre Kraft nicht verloren: „This old maternity dress I've got / Is goin' in the garbage / The clothes I'm wearin' from now on / Won't take up so much yardage / Miniskirts, hot pants and a few little fancy frills / Yeah I'm makin' up for all those years / Since I've got the pill“.
3. N.W.A – „Fuck Tha Police“ (1988)
Die Geburtsstunde des Gangsta-Raps und ein Song, der leider wenig an Aktualität eingebüßt hat. Die vertonte Kampfansage der Niggaz Wit Attitude um Dr. Der, Eazy-E und Ice Cube entstand als direkte Antwort auf eine Schikane der amerikanischen Polizei gegen Mitglieder der Band. Obwohl natürlich der Background von N.W.A in Compton – gerade im Fall von Eazy-E – auch in den organisierten Drogenhandel reichte, ist „Fuck Tha Police“ so mächtig geworden, weil es schon damals den strukturellen Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft im Allgemeinen und in der Polizei im Speziellen auf- und vor allem angriff. Damals traute sich kaum eine Radiostation diesen Song zu spielen, und trotzdem wurde der Song zum Underground-Hit – und brachte ihnen immer wieder Auftrittsverbote oder Schikane vor Ort ein, wenn sie auf Tour waren. Die 2015 verfilmte Geschichte der Band „Straight Outta Compton“ zeigt diese Szenen sehr gut:
4. Sex Pistols – „God Save The Queen“ (1977)
Eigentlich hätte man die Nummer „No Future“ nennen wollen – entschied sich dann aber doch für den Titel der Nationalhymne des Vereinigen Königreiches. Der Song wurde, angeblich zufällig, dann aufgrund diverser Label-Probleme um das 25. Thron-Jubiläum der Queen veröffentlicht. Der wohl größte Hit der Sex Pistols war eine der meistverkauften Singles in der Erscheinungswoche, obwohl die BBC sich weigerte sie zu spielen und auch einige große Tonträger-Handelsketten sich weigerten, „God Save The Queen“ ins Sortiment aufzunehmen. Am Feiertag zu Ehren des Thronjubiläums, dem 7. Juni 1977, spielten die Sex Pistols den Song live auf einem Boot namens „Queen Elizabeth“ auf der Themse in der Nähe des Westminster Palastes. Als das Boot anlegte, kam es zu Rangeleien mit der Polizei und elf Leute aus dem Band-Tross wurden festgenommen.
5. Cardi B und Megan Thee Stallion – „W.A.P.“ (2020)
Noch ein Beispiel aus der Jetztzeit und der beste Song des letzten Jahres: Cardi B und Megan Thee Stallion hatten im letzten Sommer große Freude daran, das breitbeinige Sexgeprotze der männlichen Rap-Kollegen auszukontern. Was bei den Dudes oft ziemlich lahm und pornös klingt, ist bei den beiden eine herrliche, wortwitzige, vor Körpersäften triefenden Angelegenheit, die so ziemlich alle gängigen Stellungen durchspielt. Das konservative Amerika war empört – und auch einige junge männliche Rap-Fans kamen nicht drauf klar, dass hier zwei starke Frauen mal ganz explizit die Richtung vorgeben. Die wohl schönste Promotion für Cardi und Megan: Der republikanische Politiker James P. Bradley wollte sich nach dem Hören von WAP sofort „die Ohren mit geweihtem Wasser auswaschen“, wie er via Twitter verlauten ließ. Ihr Auftritt bei den GRAMMY Awards in diesem Jahr, sorgte angeblich für über 1.000 „Beschwerden“ bei den Veranstaltern.
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